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Der Activator
Die Golfenden haben den Spielwitz und die Spielfreude verloren, er möchte beides wieder aktivieren: Martin Westphal.
Martin Westphal, der umtriebige Geschäftsführer des Märkischen Golfclubs Potsdam, hat viel vor – und schon viel erreicht mit der großzügigen Anlage in Werder an der Havel. Im Interview lässt uns der engagierte 60-Jährige teilhaben an seinen Plänen und Visionen. Und dabei kommen auch 41 nahezu mannshohe Holzfiguren ins Spiel …
Herr Westphal, Sie übernahmen 2010 gemeinsam mit Investoren den maroden Märkischen Golfclub vor den Toren Potsdams. Die Anlage war pleite – warum?
Nun, die Golflandschaft hatte sich verändert. Einen Club wie diesen nur für private Mitglieder zu betreiben, das war nicht mehr rentabel. Es musste sich einiges tun, um die Anlage zu retten – und ich hatte nach jahrzehntelanger Tätigkeit in der Golfbranche den Mut und Willen zu investieren. Ich wollte etwas bewegen.
Hat es sich gelohnt?
Absolut. Unter anderem beschäftigen wir heute acht und nicht mehr nur einen Pro, der Pro-Shop wurde vergrößert, das Preissystem verändert und vieles mehr. Wir haben heute 34 Mitarbeitende, darunter zehn Greenkeeper, die Zahl unserer Mitglieder hat sich von 400 auf 1.100 erhöht. Ganzjährlich begrüßen wir rund 55.000 Golfende auf unserer 27-Löcher-Anlage.
Respekt! Sicherlich war dies auch die Folge einer konzeptionellen Neuausrichtung?
Ja, ein Club nur für private Mitglieder, das funktioniert heute nur bedingt. Ich betreibe die Anlage kommerziell. Es geht ums wirtschaftliche Bestehen. Wir passen unser Angebot stetig auf die unterschiedlichen Motivlagen an, um möglichst viele Golfinteressierte zu erreichen und zu begeistern. Mit Erfolg: Seit 2018 wurden wir zum Beispiel jedes Jahr als VcG-Lieblingsplatz ausgezeichnet, was uns sehr freut! Ein weiteres Projekt exklusiv für VcGler ist bereits in Planung ...
Darüber werden wir sicher im Lauf des Jahres berichten. Was macht Ihre Anlage so attraktiv?
Wir haben einen 18-Löcher-, einen 9-Löcher- und einen Kurzplatz, ein 10 Hektar großes Golfodrom sowie auch einen Erlebniswald, in dem Kindergarten- und Jugendgruppen naturkundliche Führungen erhalten. Es gibt diverse Erholungs-, Sport- und Freizeitangebote, die wir, oft in Kooperation mit anderen Institutionen und Vereinen, kreieren, um unterschiedliche Bedürfnisse abzudecken. Man muss sich als Anlage heute etwas einfallen lassen, die ständige Akquise ist unabdingbar und das Potenzial da: Berlin und Potsdam wachsen auf uns zu. Wenn die Leute gerne zu uns und wiederkommen, dann haben wir alles richtig gemacht!
Was planen Sie in golferischer Hinsicht?
Viel – wir sind mitten in den Vorbereitungen für ein neues Spielkonzept. Seit Mai letzten Jahres gibt es zudem bei uns schon einen Activator: Thomas steht Golfenden aller Spielstärken als Buddy rund ums Spiel und Training kostenlos zur Verfügung. Der Service wird sehr gut angenommen. Früher wurde man durch einen Spielpaten in das Golfen eingeführt. Man ging mit diesem mit über den Platz und lernte dadurch. Heute fehlt das. Die Neugolfenden erhalten ihre Ausbildung auf der Range beim Pro, Technik und Länge stehen im Fokus, sind ansonsten aber auf sich gestellt und fühlen sich oft unsicher.
… und da ist dann der Activator zur Stelle?
Genau. Er führt Interessierte in den Golfsport ein, vermittelt die Spielidee und grundlegende Regeln, beantwortet Fragen; im Grunde ist er ein Kümmerer und Motivator, der für all diejenigen da ist, die neugierig sind und Fragen haben. Er ermuntert auch dazu, nach einer ersten Einweisung unseren Kurzplatz zu spielen. Eine Platzreife ist dazu nicht erforderlich. Danach kommen viele mit leuchtenden Augen und vielen Fragen zurück.
Die Spielfreude ist also geweckt. Zielt das neue Konzept, das Sie gerade erwähnten, auch in diese Richtung?
Ja, es nennt sich „Spiel den Platz, der zu dir passt“ und basiert auf der Annahme, dass jeder Golfende seine eigene Evolution haben sollte, sprich die Möglichkeit erhalten sollte, gemäß seiner Fähigkeiten das für sich beste Golf spielen zu können. Das werden wir auf unserem 9-Löcher-Lenné-Platz ermöglichen, den wir gerade entsprechend umbauen. Künftig wird es hier fünf genderneutrale Abschläge pro Bahn geben, die durch je eine mannshohe Holzfigur markiert sind. Zunächst gehen die Golfenden aber auf die Driving Range. Hier sind in unterschiedlichen Entfernungen Fahnen mit verschiedenen Farben gesteckt, die ihnen zeigen, von welchem Tee sie später auf dem Lenné-Platz abschlagen sollten, um auf jeder Bahn ums Par spielen zu können. Schlägt man auf der Range beispielsweise mit seinem längsten Schläger in der Regel bis zur grünen Fahne, geht man auf dem Lenné-Course zu den grünen Abschlägen und hat nun die Chance, ein Par zu spielen. Der Platz wird vom DGV geratet und ab circa Ende April bespielbar sein.
Es gibt also nicht mehr die gewohnten Damen-, Herren-, Senioren-, Kinderabschläge?
Richtig, die klassischen Kategorien, nach denen üblicherweise die Abschläge gewählt werden und die eine bestimmte Leistungsstärke implizieren, sind bei diesem Konzept vollkommen egal. Jeder der fünf Abschläge pro Bahn ist durch die Holzfigur, eine Farbe und eine Zahl gekennzeichnet. Welche Farbe zu meinem Spielvermögen passt, habe ich vorher auf der Range herausgefunden. Die Zahl verrät mir die Länge des Platzes: Eine „15“ bedeutet zum Beispiel, dass alle Bahnen des Platzes – jeweils von dieser Abschlagfarbe aus gespielt – eine Gesamtlänge von 1.500 Metern haben. Ich spiele also gemäß meiner individuellen Schlaglänge, kann einen niedrigen Score erzielen und habe mehr Zeit und Ruhe für die Spielorganisation. Ganz anders als auf den Plätzen der Superlative, die während des Baubooms in den 80er/90er-Jahren häufig entstanden sind ...
Inwiefern?
Ihre Bahnen sind oft frustrierend lang. Nicht selten sind es 580 Meter lange Par-5-Bahnen … die Golfenden haben das Spielen verlernt, da werden nur noch Bälle geschlagen, um irgendwie nach vorne zur Fahne zu kommen, der Spielwitz geht verloren. Mich nervt es, im Clubhaus Gespräche von frustrierten Golfenden zu hören. Ich möchte durch das neue Konzept wieder Hoffnung reinbringen, die Aufmerksamkeit auf das Spiel lenken und, wie unser Activator, ein Motivator sein.
Das Spielen verlernt – wie meinen Sie das?
Nun, Golfende sollen Freude am Spiel haben, sich ausprobieren können, das Spiel immer wieder neu entdecken können. Es gibt so viel mehr Spielarten als Scramble und Stableford. Es geht darum, Golf anfass- und erlebbar zu machen, die Frustration zu schmälern, die Stärken zu sehen und zu fördern – und unser Activator sowie das neue Spielkonzept machen es möglich.
Bei den Traditionalisten unter Ihren Mitgliedern kommt das aber möglicherweise nicht gut an …
Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich bin Traditionalist und möchte auf keinen Fall die Errungenschaften aus der Golfhistorie in Frage stellen, ich finde nur, es muss heutzutage Abzweigungen geben. Neue Golfende entstehen nicht auf Plätzen der Superlative, die nur sehr gut Spielende bewältigen können! Das ist einfach so. Der traditionell Golfende muss meine Idee auch nicht adaptieren und nicht den Lenné-Platz nutzen, das werden eher die Familien, die Kinder, die Golfenden mit dem Activator sein.
Sie engagieren sich sehr für die Bedürfnisse der Golfenden und seit 2015 auch sehr für die Natur, haben unter anderem den Erlebniswald geschaffen, eine Streuobst- und eine Wildblumenwiese angelegt, bieten Falken, Bibern, Wildbienen Lebensraum, testen ein innovatives Bewässerungskonzept. Was hat es mit Letzterem auf sich?
Wir sind Partner eines auf drei Jahre angelegten Bewässerungsprojektes des Umweltbundesamtes bei dem es um das Potenzial der Nutzung von geklärtem Abwasser geht. Auf vier jeweils 100 Quadratmeter großen Versuchsfeldern am Rande des Lenné-Platzes wird momentan getestet, ob dieses ohne Umweltrisiken für die Landwirtschaft, Freizeit- und Erholungsflächen und die Auffüllung des Grundwasserspiegels genutzt werden kann. Erste Ergebnisse werden im August dieses Jahres erwartet und könnten für eine nachhaltige und ökologische Bewässerung von öffentlichen Grünflächen von Nutzen sein – auch für unsere Anlage. Sehr spannend, finde ich!
Müssen sich Golfanlagen heute so in puncto Umweltschutz einsetzen, um attraktiv zu bleiben?
Das lässt sich nicht pauschal beantworten. Es geht grundsätzlich immer um Menschen, ihre Motive, um Maßnahmen und Wirkungen. Für den einen ist der Activator ein wichtiger Grund, der nächste kommt wegen des neuen Spielkonzeptes, andere freuen sich über unsere Umweltschutzmaßnahmen … Früher waren manikürte Plätze sehr wichtig, heute zählen das Naturerlebnis, das Preis-Leistungs-Verhältnis, die Wohlfühlfaktoren, das Gesamtkonzept. Für mich und meine Mitarbeitenden ist der Umweltschutz auf jeden Fall ein wichtiger Aspekt von vielen.
Was wünschen Sie sich für den Golfsport in Deutschland?
Wir sind auf einem guten Weg und ich wünsche mir, dass wir es bleiben. Corona hat dem Golfsport einen Schub gegeben, doch jetzt ist die Konkurrenz durch andere Freizeitaktivitäten wieder groß, alles wird teurer. Es ist eine Herausforderung. Wir sind Dienstleister und müssen die Nase im Wind behalten, aufmerksam und attraktiv bleiben, auch um dem demographischen Wandel zu trotzen. Kinder und Jugendliche von der Elektronik weg in Bewegung zu bringen, finde ich besonders wichtig. Es geht nicht nur ums Unternehmertum, wir haben auch eine gesellschaftliche Verantwortung!
Vielen Dank für das Gespräch!
Märkischer GC
1991 gegründete, ganzjährig nutzbare 130 Hektar große Anlage in Werder/Havel westlich von Potsdam: 18-Löcher-Fontane-Platz (Par 72, bis zu 6.000 Meter Länge), 9-Löcher-Lenné-Platz (Par 36, schmale Fairways, kleine Grüns, viele Bunker), 9-Löcher-Kurzplatz (auch ohne PE), 10 Hektar großes Übungsgelände mit zwei Putting Greens, davon eines 1000 Quadratmeter groß, vier Pitching Greens, Golfodrom (380 Meter Durchmesser, 250 Grasabschlagplätze), zwei Hütten (18 Abschlagplätze), geübt wird mit Spielbällen (Taylor Made).