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Ronald Bodenstein: Stets im Einsatz für den Golfsport
Ronald Bodenstein: Stets im Einsatz für den Golfsport Bild: VcG
28.06.2023 / Interview

Der Regel-Guru

Referee Ronald Bodenstein punktet mit Charme, Charakter- und Konzentrationsstärke.

Autor:in: Imke Ulrich
Lesedauer 6 MIN
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Er kriegt alles geregelt: Ronald Bodenstein ist nicht nur Vizepräsident des Landesgolfverbandes Berlin-Brandenburg, Spielleiter und -Ausbilder, DGV-Course-Rater und -Teamleiter für die neuen Bundesländer, sondern auch als Referee bei großen Turnieren, wie den Special Olympics World Games 2023, im Einsatz. Warum ein Referee Charme, Charakter- und Konzentrationsstärke benötigt, hat uns der gebürtige Stader verraten.

Im Zweifel den Referee fragen (Foto: shutterstock.com/yy_appartment)

Im Zweifel den Referee fragen (Foto: shutterstock.com/yy_appartment)


 

Herr Bodenstein, die weltweit geltenden Golfregeln sind sehr komplex. Haben Sie wirklich ALLE im Kopf?

Ja, die Regeln schon, vielleicht nicht immer alle Erklärungen im Detail, aber im Fall des Falles weiß ich, wo ich nachschauen muss. Als 2019 die neuen Golfregeln herauskamen, musste ich richtig büffeln. 2023 wurden Regeln für Golfende mit Behinderung integriert. Damit muss ich mich beschäftigen, auch weil ich für Special Olympics im Einsatz bin. 

Warum sind Sie Referee geworden? Lieben Sie es, andere zu reglementieren?

Im Sinne von zurechtweisen? Nein, überhaupt nicht. Mich hat es immer geärgert, dass auf dem Platz stets alle alles besser wissen und keiner wusste, wie es denn nun wirklich richtig ist. Von einem guten Freund, der DGV-Referee war, kam dann der Impuls für die Ausbildung. Der Kontakt mit den Menschen und das Draußen-Sein schätze ich sehr. Wegen des Geldes tut man das nicht, es muss Spaß bringen, sonst kann man es nicht machen.

Lassen Sie auf privaten Runden den Referee raushängen?

(lacht) Nein, im Gegenteil. Am liebsten ist mir, wenn keiner weiß, dass ich Referee bin. Allerdings kennen mich mittlerweile doch viele, auch durch meine Veröffentlichungen und Regel-Workshops. Oft fragen mich Flightpartner:innen nach meiner Meinung. Ich kann gut abschalten. Bei Fehlern, die aus Unwissenheit gemacht werden, weise ich vielleicht darauf hin. Bewusstes Schummeln toleriere ich aber auch bei privaten Runden nicht. 

Was unterscheidet den Referee vom Marshall?

Nun, der Marshall ist meistens nicht regelfest, er ist ein Angestellter des Clubs und kontrolliert, ob das Greenfee bezahlt wurde, die Spielgeschwindigkeit stimmt, Divots zurückgelegt, Bunker geharkt werden usw. Der Referee ist ausschließlich bei nicht-clubinternen Turnieren mit dem Cart auf der Anlage. Er ist regelfest und entscheidet im Streitfall.

Welche Eigenschaften zeichnen einen guten Referee aus?

Er muss bereit sein, auf Menschen zu- und einzugehen, die Ruhe bewahren, lernwillig sein und es auch bleiben, denn die Regeln werden, wie gesagt, ab und an aktualisiert ...

Welche der vielen Regeln sollten Golfende auf jeden Fall beherrschen?

(schmunzelt) Am besten alle. Grundsätzlich sollte man als Golfender verstehen, dass die Regeln FÜR die Spielenden gemacht sind. Sie sind nicht ihr Gegner! Zudem gibt es immer einen Referee oder einen Spielleiter im Club, den man im Zweifel befragen kann. Davor braucht man sich auch nicht zu scheuen. 

Was sollte ich auf jeden Fall wissen?

Sehr wichtig finde ich, dass man die Regeln rund um die Penalty Area kennt, denn hier ist die Gefahr einer Disqualifizierung bei einem Fehlverhalten sehr groß, und dass man den Ball spielt, wie er liegt, und weiß, dass man immer einen Regelball spielen kann, aber die Spielleitung darüber informieren muss. 

Sie sind seit 20 Jahren Referee – wie hat sich Ihre Tätigkeit verändert? 

Die Regelkenntnisse von den Spielenden waren schon immer schlecht, jetzt mangelt es zudem oft an den Umgangsformen. Natürlich hängt es immer auch vom Auftreten des Referees ab. Wie und wann greift er ein, ist er empathisch? Mir ist es wichtig, als Partner der Spielenden angesehen zu werden. Ich bin für sie da, muss mich nicht beweisen, bleibe ruhig, höre zu, rede nett mit ihnen. Wenn es Diskussionen gibt, schlage ich das Regelbuch auf und zeige, hier steht es schwarz auf weiß. Das funktioniert recht gut! 

Haben Sie auch schon uneinsichtige Spieler:innen erlebt? 

(lacht) Normalerweise ist es recht harmonisch, aber, ja, vor vielen Jahren gab es mal einen Spieler, mit dem ich mich eigentlich duzte. Er hat nicht eingesehen, dass er im Unrecht war, und hat mir mein Urteil so übelgenommen, dass er nach meinem Einsatz wieder gesiezt werden wollte. Aber mittlerweile ist alles wieder gut!


Lässt sich keinen Bären aufbinden: R. Bodenstein (Foto: VcG)

Lässt sich keinen Bären aufbinden: R. Bodenstein (Foto: VcG)


Können Sie Spielende des Platzes verweisen?

Nein, Platzverweise kann ich nicht aussprechen, aber verschiedene Arten von Disqualifikationen. Ich versuche aber, sie zu vermeiden. Wer sich unsportlich verhält, kann zunächst eine Verwarnung erhalten, wenn es nochmal vorkommt einen Strafschlag, beim dritten Mal die Disqualifikation. Bestimmte Fehler können aber auch das sofortige Aus bedeuten. 

Wie behalten Sie als Platzrichter den Überblick?

Bei großen Turnieren sind wir Referees oft zu zweit oder dritt mit dem Cart unterwegs und fahren den Spielenden entgegen. So können wir voraussehen, wo Probleme oder Lücken entstehen. Als Referee sollte man übrigens im Streitfall immer aus dem Cart aussteigen und auf Augenhöhe klären, um welchen Ball und Spielenden es geht sowie welche Person gezählt hat und diese dann erstmal von allen anderen, z.B. aufgebrachten Eltern, separieren. Das Schwierigste ist immer, herauszufinden, was genau geschehen ist, denn man ist, im Gegensatz zu einem Fußball-Schiri, ja nie direkt dabei, wenn das Fehlverhalten geschieht! Und oft steht Aussage gegen Aussage … Es ist viel Erfahrung und Menschenkenntnis mit im Spiel.

Was ist, wenn Sie unsicher sind? 

Grundsätzlich höre ich mir erstmal in Ruhe an, was die Beteiligten zu der Sache sagen. Als Referee habe ich mit der Entscheidung Zeit, bis die Scorekarte abgegeben wird, kann auch im Regelwerk nachschauen oder mich mit einem Kollegen beratschlagen.

Ist der Ton, wie in der Gesellschaft so auch auf dem Golfplatz, rauer geworden? 

Ja, sehr. Es wird mehr gepöbelt, auf sein Recht gepocht, die Golfsitten haben sehr gelitten. Bunker werden nicht geharkt, Pitchmarken nicht ausgebessert, andere Golfende nicht mehr gegrüßt …

Woran liegt das Ihrer Meinung nach?

Ich glaube, das Grundwissen der Etikette kommt heutzutage oft zu kurz, die Golflehrenden achten nicht mehr genug darauf, diese den Neugolfenden beizubringen. Die Einsteigenden sind zu selten mit dem Pro auf dem Platz. Wohin gehört der Trolley etc., das wird nicht mehr genug vermittelt.

Auf welches große Turnier freuen Sie sich dieses Jahr besonders?

Ich begleite jedes Jahr das Deutschlandfinale von „Jugend trainiert für Olympia“ und war 2022 als Referee bei den Nationalen Spielen von Special Olympics dabei. Die Begeisterung und Freude der Sportler:innen hat mich überwältigt, deshalb freue ich mich besonders auf die Special Olympics World Games in Berlin, mein größtes Turnier in diesem Jahr. Dort werde ich einer der beiden Head Referees sein!

Sind Sie bundesweit im Einsatz?

Ja, und international, dieses Jahr zum Beispiel auf Turnieren in Portugal, Dänemark, Frankreich. Ich liebe es, unterwegs zu sein. Fast 40 Turniere für Golfende von 14 bis 23 Jahren aus teilweise 25 verschiedenen Nationen sind es dieses Jahr allein für den Veranstalter Global Junior Golf. Das macht den größten Spaß!

Und was sagt Ihre Frau dazu?

Meine Frau sagt: „Wenn es dir Freude macht, mach es!“ Sie trägt es mit Fassung. Am Wochenende wollten wir eigentlich verreisen. Ich bin auch Jugend- und Kinderschutzbeauftragter für Berlin-Brandenburg und habe jetzt ausgerechnet dann einen Workshop. Also bleiben wir hier. Es hätte eh eine Betreuung für die Katze gefehlt und die hätte ich ungern allein lassen wollen ...

Sind Sie noch aufgeregt vor großen Turnieren?

Nein, früher war ich sehr aufgeregt und dachte immer: „Hoffentlich will keiner was von mir!“ Aber nach 20 Jahren und mehr als 20 Turnieren pro Jahr habe ich viel Routine.
Sie sind Referee, Spielleiter, Ausbilder, halten Workshops und vieles mehr. Trotz Ihrer 74 Jahre kann man wohl kaum von Ruhestand sprechen …

Das stimmt. Ich bin seit neun Jahren in Pension und habe sehr viel um die Ohren. Ich war begeisterter Golfer, heute bin ich begeistert, wenn ich mal zum Golfen komme, dabei wohnen wir nur fünf Minuten vom Club entfernt ... Aber das alles macht mir Spaß, auch wenn es natürlich nicht immer nur angenehm ist. Durch meine jahrzehntelange Tätigkeit als selbstständiger Zahntechniker habe ich aber ein dickes Fell – das ist jetzt positiver Stress für mich. 

Wo sehen Sie den Golfsport in 20 Jahren?

Mit dem Golfnachwuchs ist es schwierig. Es gibt viel Konkurrenz durch andere Freizeitaktivitäten, Bewegung ist nicht mehr in! Kinder und Jugendliche haben heutzutage oft bis spät nachmittags Schule, die Willkommenskultur auf der Clubterrasse ist nicht immer optimal .... Ich glaube auch, dass sich „pay & play“ immer mehr durchsetzen wird. Die meisten wollen kommen, spielen, wieder gehen, sich nicht für den Club engagieren. Alles ist anonymer geworden. Schade, denn der Golfsport könnte durch die Etikette dazu beitragen, dass das Miteinander wieder besser wird.

Vielen Dank für das Gespräch!

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