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Projekt und Stimmung: ausgezeichnet!
Projekt und Stimmung: ausgezeichnet! Bild: Golf Park am Deister
26.10.2022 / Interview

Die Spielgefährtin

Volle Kraft und volles Engagement voraus – mit einem innovativen Projekt sorgt Floreana Schmidt in der Golfwelt für Furore.

Autor:in: Imke Ulrich
Lesedauer 6 MIN
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Befragt nach einem Synonym für „Power“ fällt mir sofort ein Name ein: Floreana Schmidt! Die 27-Jährige ist nicht nur Doktorandin, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Sonderpädagogik in Hannover und eine gute Golferin (HCPI 13,9), sondern auch Initiatorin und Leiterin der „Girls Golf am Deister“. Das so benannte erste clubinterne Mädchen-Golfnetzwerk im Golf Park am Deister südwestlich von Hannover gewann jüngst den Innovationspreis des Deutschen Golf Verbandes (DGV). 

Frau Schmidt, Ihre Eltern und Brüder spielen Golf und so lag es auf der Hand, dass Sie auch einstiegen. Doch bald hörten Sie wieder auf – warum? 

Meine Familie fing an zu golfen, doch ich sagte mir, das ist nichts für mich. Als sie später auf eine Golfreise ging, musste ich mit und griff, vom Golflehrer geschickt animiert, dann doch zum Schläger. Wieder zu Hause dachte ich mir: „Okay, die Platzreife kannst du ja machen.“ Und so war es dann auch. Ich hatte Talent, hab aber wenig gespielt. Es gab fast nur Jungs im Club, Golf machte mir keinen Spaß und in der Schule musste ich mir wegen des Hobbys blöde Sprüche anhören, Jungs sind da vielleicht entspannter, ich aber wandte mich anderen Aktivitäten, wie Basketball spielen, zu – und das Golfen hat mir gar nicht gefehlt.

Und wann kam der Umschwung?

Als ich einige Jahre später an meiner Bachelor-Arbeit saß, ging ich mal wieder mit meiner Mutter auf die Range. Ich bin ein ziemlicher Kopfmensch, aber auf dem Golfplatz merkte ich plötzlich, wie mein Kopf frei wurde, wie gut mir die Bewegung und die frische Luft taten. Im Grunde sprang da erst der Funke richtig über und ich begann, regelmäßig zu spielen, allerdings leider meistens „nur“ mit der Familie oder schweigsamen Jungen, denn im Club gab es gefühlt keine weiteren Mädchen. 

Das änderte sich, als Sie in einem Golfgeschäft zufällig Joke Meyer kennen lernten …

Ja, genau, vor circa drei Jahren. Unsere Mütter unterhielten sich und wir standen dabei und merkten, dass wir beide im selben Club golfen, uns dort aber noch nie begegnet waren. Es gab nur eine gemischte Jugendtrainingsmannschaft, die besuchten wir beide nicht, und ansonsten existierten keine weiteren Möglichkeiten, andere Mädchen aus dem Club kennen zu lernen. Spontan verabredeten wir uns zu einer Golfrunde, bald folgten wöchentliche Treffen. Spaß zu haben stand dabei für uns im Vordergrund. Es war so schön und motivierend, eine Golffreundin gefunden zu haben und nicht nur mit Erwachsenen oder Jungen spielen zu können. 

Ein starkes Team: Floreana Schmidt und Joke Meyer (Foto: GP am Deister)

Ein starkes Team: Floreana Schmidt und Joke Meyer (Foto: GP am Deister)

Warum gründeten Sie dann eine Mädchen-Golfgruppe? Sie hatten doch schon eine Golfpartnerin …

Nach wenigen Wochen fragten wir uns, was mit den anderen Mädchen im Club ist. Wäre das für sie nicht auch cool, so eine Golffreundin zu finden? Wir beschlossen ein Netzwerk von Mädchen für Mädchen aufzubauen. Der Vorstand und der Jugendwart haben uns von Anfang an unterstützt. Wir haben dann an alle Mädchen des Clubs einen Brief versendet, in dem wir uns und unsere Idee vorgestellt haben. Wer mitmachen wollte, sollte einen beigefügten Steckbrief ausfüllen und uns zurücksenden. Wir hatten mit fünf, sechs Antworten gerechnet. Am Ende waren es 14, alle Mädchen aus dem Club hatten Bock darauf, bei der Gruppe dabei zu sein! Das Interesse war und ist groß. Mittlerweile sind wir 32 Mädchen zwischen sechs und 27 Jahren in unserer Gruppe, alle sind Mitglied in unserem Club! Vielen ging es ähnlich wie Joke und mir am Anfang und sie freuten sich, endlich mit anderen jungen Golferinnen in Kontakt zu kommen.

Welche Intention verfolgt das Netzwerk?

Es geht nicht ums Training, sondern es geht darum, die Mädchen zu stärken, dass sie auch bei Lästereien selbstbewusst zu ihrem Hobby stehen. Wir möchten Hemmungen und Vorurteile abbauen, die Mädchen untereinander aber auch mit dem Golfsport in Kontakt bringen, sie motivieren, ihnen zeigen, dass sie nicht allein unter Männern und Jungen sind.

Ist das sehr aufwändig?  

Das ist nicht teuer, es kostet nur Zeit, viel Zeit, aber es lohnt sich! Groß und Klein lernen voneinander, Zickereien gibt es nicht, die starke Gemeinschaft macht uns stolz. Alle sind froh, dabei zu sein und ich freue mich, auf Augenhöhe mit den Kindern zusammenzukommen. Ich mache es gern, denn ich arbeite gern mit Kindern, liebe es zu organisieren und bin die erste Ansprechpartnerin, mein sonderpädagogisches Studium ist sehr hilfreich und die Gruppenleitung eine tolle Ergänzung zu meiner Promotion an der Universität und meiner Arbeit mit Studierenden. Die Kinder und Eltern geben so viel Freude und Dankbarkeit zurück.

Wie ging es nach der Gruppengründung weiter?

Im Juni 2020 hatten wir unser erstes Treffen auf der Range. Seitdem sehen wir uns einmal im Monat zum Golfen, Reden, Spielen. Wichtig ist, dass alle dabei Spaß haben. Ich adaptiere oder entwickele Spielformate so, dass alle mitmachen können und Erfolgserlebnisse haben. Es gibt keine Verliererinnen. Mit uns dürfen alle mit auf den Platz. Joke und ich sind ein starkes Team und überlegen oft gemeinsam, welche Aktivitäten wir wie anbieten. Wir haben schon zum Beispiel Golf-Olympiaden durchgeführt, gerade mit großem Erfolg unseren ersten „Girls Golf am Deister“-Cup veranstaltet, eine kleine Golfreise gemacht. An Ideen mangelt es nicht. Mittlerweile ist unser Netzwerk auf 32 Mädchen angewachsen. Mir geht das Herz auf, wenn ich mit ihnen über den Platz gehe, ihre Begeisterung sehe, ihre Freude über gelungene Schläge, über die süße Tüte nach der Olympiade, über die Preise der Turnier-Tombola.

Wie hat denn eigentlich der Golfclub reagiert? Gab es Widerstände zu überwinden?

Nein, überhaupt nicht. Alle stehen hinter uns! Wir wurden von Anfang von allen toll unterstützt, auch von den Eltern. Ohne deren Hilfe ginge es nicht. Sie müssen die Mädchen ja zum Club fahren und bei den Jüngeren läuft die Kommunikation über die Eltern. Manche Väter und Brüder sind schon neidisch, dass es so eine Gruppe nicht für sie gibt.

Haben viel Spaß im Spiel: die Mädchen vom Golf Park am Deister (Foto: GP am Deister)

Haben viel Spaß im Spiel: die Mädchen vom Golf Park am Deister (Foto: GP am Deister)

Dem Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) zufolge sind Reiten, Turnen, Tanzen die bei Mädchen zwischen sieben und 14 die beliebtesten Sportarten. Nur 7.726 Mädchen in der Altersspanne golfen. Ist es schwer, junge Mädchen für das Golfen zu begeistern? 

Nein, das haben wir gesehen, als jedes Mädchen eine nichtgolfende Bekannte mitbringen durfte. Die waren in der Regel dann sehr angetan. Einige sind sogar in den Club eingetreten. Die Schwierigkeit liegt in der Erreichbarkeit der Golfplätze und darin, dass den Mädchen durch die Eltern eher zum Beispiel Ballett und Turnen nahegelegt werden. Dort treffen sie viele andere Mädchen. Das ist im Golf noch anders. Kinder orientieren sich laut Studien vor allem am Vorbild ihrer Eltern, an Geschwistern und Freunden. Wenn diese golfen, macht das ihnen den Einstieg leichter. 

Laut aktueller DGV-Statistik spielen nur 23.078 Frauen im Alter von 21 bis 40 Jahren Golf. Es ist also möglicherweise schwer, die Mädchen am Ball zu halten. Finden Sie das frustrierend? 

Na ja, ich finde, es muss nicht sein, dann mit dem Golfen aufzuhören, es ist eine Frage der Prioritätensetzung, wenn man berufstätig ist und/oder Kinder hat. Joke und ich haben schon gesagt, dass wir später einfach den Kinderwagen mit aufs Fairway nehmen. Wir haben bereits nachgedacht über Modelle mit Schlägerhalterung oder eine „Senior Girls Golf am Deister“- oder „Girls Golf Oldies“-Gruppe. 

Die Mädchenförderung hat sicherlich auch dadurch einen Impuls bekommen, dass Ihr Projekt vom Deutschen Golf Verband ausgezeichnet wurde …

Absolut. Wir haben in der Kategorie „Vom Breitensport zur Leistungsförderung“ gewonnen. Durch die Auszeichnung wurden auf Landes- und Bundesebene viele auf uns aufmerksam. Einige Anfragen kamen bereits. Es gibt eine Tendenz, Mädchen stärker zu fördern. Ich verstehe mich als Mentorin und gebe gerne Tipps. Ein Netzwerk aufzubauen, lohnt sich immer. Jede Anlage muss da aber ihren Fokus finden. Es hängt sehr davon ab, wer die Leitung übernehmen möchte und ob die Mädchen in dem Club überhaupt Interesse haben.

Abgesehen von der Publicity hat die Auszeichnung ja auch 3.000,- Euro Preisgeld mit sich gebracht. Wie werden Sie das Geld einsetzen?

Mein erster Gedanke war: „Hurra, die nächsten zehn Jahre Girls Golf sind gesichert!“ In der Tat überlegen wir zum Beispiel, mal eine Proette zu uns einzuladen, die den Mädchen Tipps geben und ein Vorbild sein kann. Auch für die Fortsetzung unseres „Girls Golf am Deister“-Cups ist das Geld willkommen!

Wo soll die Reise hingehen: Was ist Ihre Vision für den Mädchengolfsport in Deutschland?

Ich wünsche mir, dass unser Netzwerk offen für alle Interessierte, fröhlich und herzlich bleibt, dass es wächst, aber auch, dass wir ein Vorbild sind für andere Clubs! Es gibt noch viel Potenzial für eigene Ideen, die das Gemeinschaftsgefühl und dadurch die Freude am Golf stärken – nicht nur bei den Mädchen, auch bei den Frauen, zum Beispiel Müttern.   

Vielen Dank für das Gespräch.

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