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Schwingt schon wie ein Profi: Paul Kögler
Schwingt schon wie ein Profi: Paul Kögler Bild: VcG
18.10.2021 / Mixed

Inklusion: Besonders im Golfsport

Golfen wie Tiger Woods – Paul Kögler, ein junger Münchner mit geistiger Behinderung, ist auf dem Weg dahin ...

Autor:in: Imke Ulrich
Lesedauer 6 MIN
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... und mit ihm einige weitere Athlet:innen! Mit einem perfekten Schlag von Tiger Woods fängt alles an – als er diesen vor einigen Jahren im Fernsehen sieht, steht für Paul Kögler fest: „Das will ich auch können!“ Zusammen mit seiner Mutter Helga absolviert er einen Schnupperkurs, beide legen die Platzreife ab, Paul wird Mitglied im Golfpark München-Aschheim und entdeckt bei Special Olympics Deutschland (SOD) die Golf-Sparte für sich: 2019 nimmt der heute 23-Jährige an den Special Olympics World Games in Abu Dhabi teil – und erreicht bei der weltweit größten inklusiven Sportveranstaltung für Menschen mit geistiger oder mehrfacher Behinderung im Golf den vierten Platz! „Das war ein Traum. So etwas Tolles habe ich noch nie erlebt“, erinnert er sich glücklich. Wir treffen ihn und eine weitere Athletin, Anna Mannheims, im Bielefelder Golfclub beim „6. Integrativen Golfturnier Deutschlands“, veranstaltet von Special Olympics Nordrhein-Westfalen e.V.

Fröhlich und cool: Paul Kögler

Fröhlich und cool: Paul Kögler

Besser geht es nicht

Bradley Kerr arbeitet als Golflehrer auf der Anlage und organisiert die jährliche Veranstaltung: „Es ist jedes Mal schön zu sehen, wie die von ihren mentalen Fähigkeiten und ihrem Können besonderen Teilnehmer:innen während des Turniers auftauen. Sie genießen es, hier zu sein und mit anderen zusammen zu sein“, so der Schotte. „Golf ist für die Inklusion super geeignet, besser geht es nicht: Es spielt sich draußen an der frischen Luft ab und bedeutet für Menschen mit einer geistigen Behinderung viel Freiheit. Sie kommen raus aus ihrer geschlossenen Welt der Einrichtung oder Werkstatt, haben Zeit, beschäftigen sich mit dem Sport und können sich frei entfalten. Das ist für sie so nicht oft möglich und nicht selbstverständlich!“ Bei diesem Turnier sind 32 Teilnehmer:innen und 32 Mitspieler:innen aus ganz Deutschland zwischen 12 und 51 Jahren vor Ort. „Über die Jahre hat das Ganze an Dynamik gewonnen, die Teilnehmerzahlen sind stetig gewachsen“, freut sich Bradley Kerr. „Nichtsdestotrotz ist es ein sehr kleiner Kreis. Golf ist organisatorisch schwierig. Es fehlt an Golf-Trainings- und vor allem Anschlussangeboten für diese besonderen Menschen. Corona hat leider viele Bemühungen in den Einrichtungen und Schulen gestoppt oder stark eingeschränkt, das soziale Miteinander war kaum möglich. Doch jetzt findet unser Turnier zum Glück wieder statt!“ 

Vom Golffieber gepackt: Anna Mannheims und Paul Kögler

Vom Golffieber gepackt: Anna Mannheims und Paul Kögler

Dank Golf Kontakt & Ausgleich

Der Lockdown war für die Athlet:innen hart, auch wenn der SOD einiges online auf die Beine gestellt hat: „Es gab virtuelle Fitnesseinheiten für viele Sportarten und zudem z.B. eine Online-Karnevalsfeier und ein -Oktoberfest, durch die man in Kontakt bleiben konnte“, berichtet Anna Mannheims Mutter Katrin. „Auch über die WhatsApp-Gruppen fand ein reger Austausch statt. Aber dass wir uns nun hier wieder alle zu einem Turnier treffen können, ist natürlich viel schöner!“ Die Freude darüber ist allen Teilnehmer:innen deutlich anzumerken. Anna Mannheims Augen leuchten: „Ich möchte unbedingt zu den Special Olympic World Games in Berlin 2023 und dort Gold holen und mich heute für die Nationalen SOD-Spiele 2022 qualifizieren!“ Die ehrgeizige 20-Jährige golft seit acht Jahren mit Begeisterung („Mein Vater hat mich angesteckt!“). Sie ist Mitglied im Krefelder GC. „Ich treffe gerne Freundinnen und höre Musik, aber Golf ist meine liebste Beschäftigung. Ich trainiere drei Mal in der Woche. Das ist mein Ausgleich zur Arbeit. Den Driver mag ich besonders.“ Auf das Angebot von Special Olympics Deutschland (SOD) ist sie vor zwei Jahren aufmerksam geworden. Paul Kögler und sie kennen sich seit 2019 durch die inklusiven Turniere und Golf-Trainingslager des SODs. Auch Paul ist begeistert: „Die Turniere machen immer Spaß und dieser Platz ist besonders schön. Ich freue mich, hier zu sein.“ 

Begeisterte Golferin: Anna Mannheims

Begeisterte Golferin: Anna Mannheims

Jede Leistung zählt

Die Atmosphäre ist fröhlich und entspannt, auch weil alle unabhängig vom Grad ihrer mentalen Einschränkung dank verschiedener Wettbewerbslevel Erfolgserlebnisse haben: Beim Geschicklichkeitsparcours, dem Level 1, sammeln die Athlet:innen beim Putten, Chippen, Pitchen und Abschlagen mit Holz und Eisen Punkte, auch ohne HCPI. Jede Leistung wird wertgeschätzt, jeder gelungene Schlag von den Teilnehmer:innen, ihrer Begleitung und den Helfer:innen gefeiert. Wer eine bestimmte Gesamtpunktzahl erzielt, darf mit einem Mitspielenden dann Level 4, eine 9-Löcher-Runde, absolvieren. Zudem gibt es einen Wechselschlag-Teamwettbewerb (Level 2). „Die Athlet:innen können sich messen, dennoch stehen hier der Spaß und das gemeinsame Erleben im Vordergrund. Behinderte und Nichtbehinderte kommen für mehrere Stunden zusammen. Es gibt keine Verlierer, alle Teilnehmerenden erhält eine Medaille!“, so Bradley Kerr. 

Freut sich über jeden gelungenen Schlag: Paul Kögler

Freut sich über jeden gelungenen Schlag: Paul Kögler



Lässt die Bälle fliegen: Anna Mannheims
Lässt die Bälle fliegen: Anna Mannheims



 

Eine richtige Golffamilie

„Es sind viele Freundschaften entstanden, nicht nur unter den Athlet:innen“, schwärmt Annas Mutter Katrin. „Wir Eltern sind ja bei den Turnieren und Trainingslagern als Begleitpersonen dabei, wir sind eine richtige Golffamilie, helfen uns gegenseitig, tauschen uns aus.“ Pauls Mutter Helga ergänzt: „Wir sind dabei, auf dem Platz sind die Athlet:innen aber zum Teil auch ohne uns. Das fördert ihre Selbstständigkeit!“ Auch Paul will, motiviert durchs Golfen, noch eigenständiger werden. „Er arbeitet bis 16 Uhr in einem Café und hat seine Golfsachen im Club im Spind. Wir üben gerade, dass er von der Arbeit auch mal alleine mit dem Bus zum Golfen fährt“, berichtet Helga Kögler. Bradley Kerr freut sich, dass die Teilnehmer:innen völlig im Golfsport aufgehen und wie Paul und Anna das ganze Jahr trainieren und spielen wollen. „Beim Golf ist der Transport eine besondere Herausforderung: Die Plätze liegen, mit öffentlichen Verkehrsmitteln schwer erreichbar, in der Regel außerhalb der Stadt! Die Szene ist deshalb hauptsächlich dominiert von Eltern mit Kind, denn in der Regel ist es ein Elternteil, das die Athlet:innen zum Training fährt und begleitet“, bestätigt Bradley Kerr. Er berichtet von einem geistig stark beeinträchtigten Teilnehmer, der erst seit vier Wochen trainiert und jetzt den Level-1-Wettbewerb gemeistert hat. „Er ist so begeistert, dass er nach dem Wettbewerb ohne seine Mutter auf der Anlage bleiben und üben will, mit dem Bus alleine vom Golfplatz nach Hause zu fahren, damit er künftig eventuell auch mal alleine zum Trainieren herfahren kann. Das finde ich sehr rührend!“ 

Hochkonzentriert im Wettbewerb: Anna Mannheims

Hochkonzentriert im Wettbewerb: Anna Mannheims

Inklusion gibt neue Impulse

„Das SOD-Angebot eröffnet unseren Kindern neue Perspektiven und motiviert sie, eigene Ziele zu definieren. Es stärkt sie und gibt ihnen das Gefühl, dass sie etwas können und gut machen“, freuen sich Annas und Pauls Mutter. „Toll, dass unsere Kinder ihre Nische gefunden haben! Die Clubmitglieder sind sehr nett und hilfsbereit. Es finden auch in ihren Heimatclubs nun immer öfter mal Inklusionsturniere statt.“ Die Eltern golfen ebenfalls. Kein Einzelfall: „Viele Eltern kommen durch ihre Kinder mit Golf in Kontakt und würden gerne langfristig am Ball bleiben“, weiß Bradley Kerr. „Mit entsprechenden Angeboten können die Clubs nicht nur die Menschen mit einer geistigen Behinderung, sondern auch ihre Familien für den Golfsport gewinnen. Golf ist für die Inklusion prädestiniert. Da gibt es noch viel Potenzial!“ Er sieht integrative Turniere als große Chance: „Wir möchten Menschen mit einer geistigen Behinderung zum regelmäßigen Sport motivieren. Golf ist dafür ideal: Die Athlet:innen kommen, zum Beispiel durch die SOD-Veranstaltungen, spielerisch in Kontakt mit anderen, ihre Visibilität in den Clubs wird erhöht, bei Turnieren und Events baut das gemeinsame Erlebnis Berührungsängste ab. Die Fröhlichkeit und Unverkrampftheit dieser besonderen Spieler:innen zu erleben, ist für alle eine Bereicherung. Ich wünsche mir, dass die Bedeutung des Golfsports für die Inklusion noch mehr erkannt wird!“

Setzt sich sehr engagiert sympathisch für die Inklusion ein: Bradley Kerr

Setzt sich sehr engagiert sympathisch für die Inklusion ein: Bradley Kerr


 

 

In Deutschland leben dem Deutschlandfunk zufolge etwa 320.000 Personen mit geistigen Einschränkungen. Nur etwa acht Prozent von ihnen trainieren regelmäßig in einer Sportart. Wie viele von ihnen golfen, ist nicht bekannt. Dabei ist Golf für die Inklusion einfach ideal: Der Sport ist für Menschen mit geistigen Einschränkungen leicht erlernbar und kann dank des Handicap-Systems gemeinsam mit anderen nach einem speziellen Regelwerk ausgeübt werden. Bei Special Olympics Deutschland spielt Golf mit 50 bis 100 Athlet:innen bei den Wettbewerben im Vergleich zu populären Sportarten wie Fußball, Leichtathletik, Tischtennis und Boccia, die sich einfach für eine Behinderteneinrichtung umsetzen lassen, aus organisatorischen Gründen noch eine sehr kleine Rolle. Menschen mit einer geistigen Behinderung sind laut Behindertenbewegung nach wie vor am meisten von sozialer Ausgrenzung bedroht.

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