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Golfclub Gut Glinde
Jung, offen, ehrlich. Bei der Anfahrt jedoch erst mal das Übliche. Gute Autobahn-Anbindung, sichtbar ausgeschildert, große Parkplätze, rechts Driving Range, links Clubhaus. Das bieten viele Golfanlagen. Doch bei genauerem Hinsehen zeigen sich einige Besonderheiten: ein Inselgrün auf der Range, eine Golfarena, die den Namen verdient, 15 Löcher öffentlich, das kompetente Sekretariat, die gastfreundliche Website.
Kontaktaufnahme.
Bei der 2016 mit dem Prädikat „Beste deutsche Golf-Website“ ausgezeichneten Internet-Präsenz des Golf Gut Glinde werden schon auf der ersten Seite „Gäste“ ausdrücklich „willkommen“ geheißen. Alle wichtigen Infos für Gastspieler findet man auf einen Klick. Bei Anruf bekomme ich eine genehme Startzeit. Auch mein Hinweis auf weite Anreise und verkehrstechnische Unwägbarkeiten bringt die freundliche Dame an der Rezeption nicht aus der Ruhe: „Das kriegen wir hin. Hauptsache, Sie kommen gut an.“ Selbst meine besorgte Frage, ob ich für das Motto des Clubs „Jung – offen – sportlich“ möglicherweise zu alt sei, kontert sie souverän: „Golferisch jung ist man bis 85 Jahre, danach wird man weise.“ Das passt ja, denn heute gehe ich mit meiner 83-jährigen Freundin auf die Runde. Wie es die Stau-Lage will, sind wir viel zu früh da. Auch kein Problem, nach versiertem Blick auf den Bildschirm bekommen wir eine andere Teetime, eine solide Wegbeschreibung zum ersten Abschlag und den wichtigen Hinweis, zur zweiten Bahn gehe es halbrechts durch den Wald und nicht etwa nach links zum gut sichtbaren vierten Loch.
Einladend: Bahn 2 (Foto: Ralph Dörnte)
Der 18-Löcher-Platz
Wenn ich nicht so begierig aufs Spiel wäre, könnte ich auf dem Weg an der Range vorbei schon einmal das ominöse Inselgrün betrachten und am ersten Grün einen Blick auf den rechts liegenden Kurzplatz werfen. Aber die Sonne scheint, es duftet nach frisch gemähtem Gras, die breite gerade Bahn ruft geradezu nach einem Abschlag mit dem Driver – es geht los. Dank des Hinweises finden wir auch die zweite Bahn, meiner Ansicht nach eine der schönsten auf dieser Anlage. Am Wald vorbei spielt man zwischen Bunkern hindurch auf eine Fahne, die auf drei Seiten durch Wasser und auf der vierten durch einen Abhang geschützt ist. Das Layout erfreut das Auge, aber gute Gründe zwingen zu präzisem, vor allem schnellem Spiel: Zumindest im August ist der Ort Heimstatt unzähliger (nieder-)trächtiger Mückenweibchen, und die wollen alle nur das eine: Mein Blut. Unter Zurücklassung mehrerer Leichen (sorry – Reflex) geht es über Bahn 3 zurück zum zuvor visuell gespeicherten vierten Abschlag. Wasser kommt bis zur Bahn 12 immer mal wieder ins Spiel, weitere Stechattacken bleiben jedoch aus. Auf den ersten Neun ist die 5 sicher das schwerste Loch. Ein langes Dogleg windet sich nach links um ein großflächiges Biotop. Der direkte Weg zum Grün führt über weites Wasser, der Umweg rechts außen wird durch Bunker und einen weiteren Wasserlauf erschwert. Drei Löcher lang erholen wir uns vom hohen Ballverlust, um dann auf der Bahn 9 vor einer weiteren Herausforderung zu stehen: Um das Grün in regulation zu erreichen, muss man den genau davor liegenden Teich überwinden. Achtung: Zuschauer auf der nahen Clubhausterrasse!
Gekonnt gemeistert
Der Weg zu den zweiten Neun führt an den Umkleiden vorbei, es gibt aber auch strategisch gelegene WCs an den Abschlägen 2/4 und 6/13. Ab der 14 ändert sich die Platzcharakteristik, Bäume werden selten, kleine Hügel begleiten die Fairways, das Rough rückt näher. All das ähnelt in Bauweise und Vegetation einem Links Course. Nur auf der Bahn 18 verhindern wieder Bäume und Büsche ein Ausweichen, auch das letzte Grün wird – natürlich unter Beobachtung der Terrassensitzer – über Wasser angespielt. Aber erstens gibt es hinter dem Grün einen schützenden Gegenhang und zweitens wissen wir jetzt, wie es geht. So schmeckt der anschließende Imbiss wunderbar.
Bahn 18 im Morgennebel (Foto: Ralph Dörnte)
Der 9-Löcher-Platz
Nach kurzer Pause wandere ich zu der öffentlichen 9-Löcher-Anlage. Für deren Bespielen benötigt man zwar eine Platzerlaubnis, aber keine Clubmitgliedschaft. Eigentlich will ich nur gucken, aber statt einem etwas längeren Kurzplatz handelt es sich um „richtige“ Golfbahnen (Par 68/5218 Meter bis Par 60/2758 Meter) mit gepflegten, zum Teil Bunker-bewehrten Grüns. Die Wasserhindernisse liegen allerdings alle seitlich und es gibt immer einen sandfreien Zugang zum Grün. Von den fünf Abschlägen pro Loch können alle von Herren und die drei vorderen von Damen genutzt werden, so kann jeder seiner momentanen Spielstärke gerecht werden und sich Runde um Runde zum nächstlängeren Platzstandard vorarbeiten. Zum Glück habe ich ein Eisen 7 und einen Putter dabei, man weiß ja nie … Während ich auf der 3 noch denke, dass der Mensch eigentlich immer zu viele Schläger mitschleppt, beweisen mir die 5 und dann spätestens die 7, dass ein gut gefülltes Bag doch sinnvoll sein kann.
Der Kurzplatz
Als Teil der Golfarena gibt es hinter der Driving Range einen 6-Löcher-Kurzplatz, für den man weder Mitgliedschaft noch Platzerlaubnis braucht. Echte Bahnen, echte Grüns, aber wirklich kurz, Längen um 80 Meter. Das ist nicht nur nützlich zum Erproben der Sportart und zum Üben der wichtigen Annäherungen, es ist auch nicht so einfach, denn die Grüns sind ebenfalls Minis. Selbst gestandene Golfer können hier eine schnelle Runde ausspielen.
Mit Glück nicht ins Wasser (Foto: Ralph Dörnte)
Das Inselgrün
Zum Schluss wollen wir unbedingt noch einen der Zielpunkte auf der großen Driving Range, das berühmte Inselgrün, ansehen. Auf den ersten Blick ist die Gestaltung etwas enttäuschend, eher ein Wassergraben vor der Fahne. Dann allerdings: Drei jugendliche Golfer bringen sich in Position und nehmen das besagte Grün aufs Korn. Vor dem Hindernis geschätzt 50 Meter Platz, Graben geschätzt zwei Meter tief, dahinter das Grün und der Rest der Range – und jetzt raten Sie mal, wo die meisten der gar nicht schlecht gespielten Bälle landen? Genau. Bälle auf einer optimalen Flugkurve unterbrechen diese, um sich ins Nass zu stürzen. Oder sie treffen auf Land und machen eine Volte rückwärts. Ich möchte gern wissen, wie viele Rangebälle pro Tag aus dem Graben gefischt werden, aber das weiß selbst die freundliche Sekretärin nicht.