
Längenwahn
Die Golfindustrie verspricht jede Saison aufs Neue immer neue Längenrekorde. Muss das sein?
Hach, was waren das früher noch für Zeiten, in denen nur die begabtesten Golfer ihre Bälle vom Tee mit kleinen Hölzchen auf die Fairways schicken konnten. Die Schlägerköpfe waren klein und aus glänzend lackiertem Holz. Jeder „Off Center“-Treffer endete im Fiasko. Wer hätte geahnt, dass mit dem Materialwechsel von Holz auf Metall in den 1980er-Jahren ein Irrsinn Einzug hält, in dem die Golfschlägerindustrie den Takt vorgibt, die selbsternannten „Governing Bodies“ USGA und R&A im Tiefschlaf verweilen und die Entwicklung der Sportart Golf quasi vor die Wand gefahren wird?
Die Rolle der Industrie
Durch eine völlig unregulierte Entwicklung – in einer an Regulierung sonst wahrlich nicht armen Sportart – zu immer neuen Längenrekorden durch ständig neue Ball-Schläger-Kombinationen der Industrie haben sich vollkommen neue Anforderungen an die Sportanlagen (besser: Golfplätze) ergeben. Die Bahnen mussten immer länger werden, um einen sinnvollen Einsatz der neuen „heißen Ware“ zu gewährleisten. Längere Bahnen bedeuten aber auch mehr benötigte Fläche. Mehr Fläche führt zu höheren Pacht-/ Kaufpreisen und Pflegekosten. Höhere Kosten führen zu höheren Greenfees bzw. Mitgliedsbeiträgen. So einfach ist die Formel. Was haben USGA und R&A gegen das Diktat der Industrie unternommen? Nichts. Sie ließen sie gewähren und überließen das Problem lieber den Golfanlagen.
Ein Blick zu den Profis
Golfplatzklassiker, die beispielsweise in der Zeit bis circa 1960 entstanden, spielen als Austragungsort für Profiturniere auf Grund ihrer zu geringen Länge heute keine Rolle mehr. Es sei denn, sie sind oder waren bereit, zu ihrem ursprünglichen Design hintere, weiße Abschläge zu ergänzen, die die ursprünglichen Landezonen somit wieder zu den Landezonen der heutigen Schlagweiten werden lassen. Die ursprünglichen Golfplatzdesigns wurden so verschandelt. Heutige Neubauten, die mit einem Profiturnier liebäugeln, werden niemals mehr mit Längen von unter 7.000 Yards (rund 6,4 Kilometern) von den weißen Abschlägen geplant.
Golf heute
Auch wenn sich die Schlagweiten des Durchschnittsgolfers – entgegen den Werbeversprechen – in den letzten Jahren nicht mehr weiter nach oben entwickelt haben, werden Hans und Franz auch in diesem Jahr wieder mit den neusten 500-Euro-Drivern mit Schlägerköpfen in der Größe eines Schuhkartons auf den Abschlägen der Republik aufteen. Mehr Spaß als früher macht das alles nicht. Es kostet nur mehr!