
Schick gemacht
Vielleicht wird irgendwann Gras über die Corona-Misere gewachsen sein, vergessen werden wir diese besondere Zeit sicher nicht. Auch Kai Reidath wird sie als sehr ereignisreich in Erinnerung bleiben. Der 52-jährige Greenkeeper beim Golf Gut Glinde hat eine derartige Ausnahmesituation auf dem Golfplatz noch nie zuvor erlebt, wie er uns Mitte April erzählt: „Ich bin seit 26 Jahren im Greenkeeping, aber dass wir keinen Spielbetrieb und so viel Ruhe für intensive Pflegemaßnahmen hatten, ist noch nie vorgekommen.“
Ideal für das Greenkeeping
Langweilig war dem Head-Greenkeeper und seinen Kollegen der Golfanlage des Golf Gut Glinde keine Minute, im Gegenteil: Sie haben die Zeit für die im Frühjahr üblichen Pflegemaßnahmen in intensiverer Form genutzt und mit zwei zusätzlichen Aushilfen „all die Dinge, zu denen man sonst nicht kommt“ erledigt. „Bestes Wetter, die Plätze für den Spielbetrieb gesperrt: Wir hatten mehr als genug zu tun“, lacht Kai Reidath. „Dadurch dass wir allein auf der Anlage waren, konnten wir ungestört und sehr effizient arbeiten. Wir mussten keine Rücksicht auf Golfer nehmen. Das war zur Abwechslung herrlich, auch wenn das Miteinander von Golfern und Greenkeepern im Spielbetrieb meist recht nett und rücksichtsvoll ist.“
Im Fokus standen vor allem die Grüns, die durch Schneeschimmel und extrem hohe Niederschläge in den vergangenen Monaten in Mitleidenschaft gezogen waren. „Wir haben alle Fahnen herausgenommen und konnten dadurch die Grüns ungehindert befahren und bearbeiten“, erklärt der Greenkeeper. Sie wurden nicht nur gemäht, sondern auch zur Abtrocknung, Auflockerung, besseren Belüftung und Stärkung des Wurzelwachstums aerifiziert und gesandet. Dazu werden mit Vollspoons, also Stahlstacheln mit einen Durchmesser von bis zu 22 Millimetern, maschinell bis zu 23 Zentimeter tiefe Löcher in den Boden gestochen. In die Löcher wird zur Stabilisierung mit einer rotierenden Spezialbürste mehrfach Sand eingeschleppt, bis sie vollständig gefüllt sind. „Wir konnten diesmal besonders dicke Löcher stechen. Im Nachgang wurden noch sieben Zentimeter tiefe Löcher mit einem Durchmesser von sechs Millimetern mit Hohlspoons, das sind hohle Stacheln, gestochen. Das wäre im normalen Spielbetrieb kaum möglich gewesen, denn auf so intensiv aerifizierten Grüns lässt sich kaum putten“, erklärt Reidath. „Durch die großen Löcher bekommen die Organismen im Boden mehr Sauerstoff, der Boden verfestigt weniger, Rasenfilz wird verringert und das Luft- und Wasserverhältnis im Boden verbessert sich. Das Aerifizieren und Vertikutieren beugt Nährstoffmangel, Trockenstress und Krankheitsbefall vor – intensiv ausgeführt bewährt sich das über die ganze Saison!“

Aerifizieren, sanden, nachsäen
Als Greenkeeper weiß er, dass gerade gepflegte Grüns für die Golfspieler besonders wichtig sind. „Die Grüns sollen immer top aussehen“, so Reidath, „Bei ihnen fällt ein schlechter Zustand am ehesten auf.“ Neben der Aerifizierung und Vertikutierung wurde deshalb auf den Grüns, Abschlägen und Fairways auch gedüngt und nachgesät. „Durch das Nachsäen beseitigen wir Kahlstellen und Schneeschimmelschäden. Beim normalen Spielbetrieb ist diese Maßnahme in diesem Umfang schwierig, denn mit einem Gerät werden dazu Schlitze in den Boden gemacht, dann werden die Rasensamen einige Zentimeter tief eingebracht. Später drücken wir die Schlitze zum Schutz der Saat mit einer Walze wieder zu“, so Reidath. „Die Wärme begünstigt die Keimung, für die Feuchtigkeit sorgen wir. Nachdem der Platz im Januar und Februar teilweise durch starken Niederschlag unbespiel- und unbefahrbar war, ist er jetzt viel zu trocken und die Beregnung wird benötigt.“
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Regner hochziehen
Für die Befeuchtung gibt es über 500 Regner auf der Anlage des Golf Gut Glinde, die einen 18-Löcher-Meisterschafts-, einen 9-Löcher- und einen öffentlichen 6-Löcher-Platz umfasst. Die kleinen runden Wasserspender sind in den Boden eingelassen und werden via Laptop gesteuert. „Als Golfer nimmt man sie im Idealfall kaum wahr. Durch das Aufsanden und den Filzaufbau der Fläche entsteht mit der Zeit eine sogenannte Bodenanhebung um die Regner“, so Kai Reidath. „Wir müssen sie regelmäßig freischneiden und per Hand wieder auf Bodenniveau hochziehen. Eine Arbeit, die normalerweise morgens, bevor die ersten Golfer kommen, erfolgt und sich, um den Spielbetrieb nicht zu stören, auf mehrere Wochen verteilt. Das konnten wir jetzt ungestört in einem Zug erledigen.“
Fairways, Bunker & Co verschönen
Ungestört konnten auch die Fairways gestriegelt und gemäht werden. „Wir belüften durch das Hochkämmen die Rasennarbe. So entfernen wir Schnittgutrückstände, Quergräser, abgestorbenes Pflanzenmaterial, Regenwurmhäufchen und die Wasserdurchlässigkeit wird verbessert“, erklärt Kai Reidath die Pflegemaßnahme. „Und weil das Wetter so gut war und der Platz gesperrt ist, konnten wir diese Maßnahme sogar zweimal auf allen Fairways durchführen! In den Bunkern wurde der Sand neu verteilt. Auch die Bunkerkanten werden wir noch schneiden. Es wird alles optimal für den Spielbetrieb vorbereitet“. So wurden auch die Teichkanten schon geschnitten, Pflöcke ausgetauscht, Schilder neu gesetzt und sowohl ein neues Brunnenhäuschen als auch eine Hütte an der Driving Range errichtet. Auch die Driving Range wurde auf Vordermann gebracht: Da der Ballaufsammler nie wirklich alle Rangebälle erwischt und manche Bälle beim Überfahren auch in den Boden drückt, muss die Range ab und an händisch abgesammelt werden. „Wir konnten wegen der Platzsperrung diesmal mit einem zehn Mann starken Team aus Greenkeeping- und Restaurant-Mitarbeitern über die Range gehen und haben circa 3.000 Bälle eingesammelt, auch außerhalb des Rangebereichs“, so der Greenkeeper.
Gemeinsam stark
Der Zusammenhalt der Mitarbeiter ist in der Krisenzeit besonders gut. „Keiner von uns ist auf Kurzarbeit, alle helfen mit, wo sie können. Das gemeinsame Bällesuchen war sehr effizient und hat Spaß gemacht“, freut sich Reidath. „Und unser Koch ist zu Beispiel gerade dabei, die Driving Range zu streichen, eine Aushilfe aus dem Event-Bereich und ein Student aus dem Sekretariat helfen im Greenkeeping!“ Auch wenn der Spielbetrieb eventuell ab Mai weitergeht, Angst vor Langeweile hat Reidath nicht, denn: „Die Pflege läuft ja weiter! Mäharbeiten, Walzen etc., es gibt immer etwas für uns Greenkeeper zu tun. Jeden Tag steht was Anderes an, auch je nach Wetterlage. Gerade das liebe ich so an diesem Beruf!“ Von Corona habe er bis auf die intensiveren Pflegemaßnahmen und die fehlenden Golfer auf der Anlage nicht viel bemerkt. „Zum Glück hatten wir auch keinen Vandalismus auf den leeren Plätzen. Nur Jogger und tatsächlich auch einmal Personen, die auf dem Fairway picknickten, die mussten wir auf die Platzsperrung hinweisen“, so Reidath. Auch wenn er bald wieder früher aufstehen muss, um schon einige Arbeiten vor den ersten Golfern erledigt zu haben, freut er auf die Wiederaufnahme des Spielbetriebs: „Wir haben hier zwar 37 Rehe und viele andere Tiere, aber mit Menschen ist noch mehr Leben auf der Anlage. Es sieht alles prima aus. Das Spiel kann beginnen!“